Ein lautes Knarren weckte Shiru aus ihren Halbschlaf. Es war noch recht früh, denn sie konnte
den Tau am Fenster erkennen , die sich wie kleine Eiskristalle am Glas festsaugten. Eigentlich viel zu früh
um sich zu erheben, doch eine innere Stimme sagte ihr, das etwas geschehen war. Als sie sich hochkämpfte
fiel ihr Blick neben sich wo ein Bett auch Eichenholz stand. Das Bettlaken war noch immer straff über die
Schlafstätte gezogen, denn sie hatte es nicht benutzt. Das lag wohl an ihren alten Gewohnheiten. Sie war oft
tagelang in der Wildnis unterwegs ohne dabei auch nur in die Nähe von einer Raststätte zu kommen. In ihrer
Heimat Maraskan gab es ausserdem nicht solch weiche Betten und daher kam sie einfach nicht damit zu recht.
Weder damit noch mit so manch anderen seltsamen Gebräuchen die es in dieser Gegend gab. Früh aufstehen
zählte wohl ebenso zu diesen entbehrlichen Gepflogenheiten.
Murrend und in höchster Eile zog sie ihren Faltenrock und ihre tief ausgeschnittene Bluse an. Darüber legte sie
ihren altgedienten Harnisch an und besah sich kurz ihr abgenutztens Schuhwerk an ehe sie sie nach hinten warf
und ihre neuen Kniestiefel, die sie gestern erstanden hatte, ausprobierte. Schliesslich packte sie all ihre neuen
Erungenschaften in ihre Reisetasche, nahm ihr maraskanisches Schwert und öffnete schliesslich das Fenster.
Eine kühle Morgenbrise kam ihr entgegen als sie sich weit nach vorne lehnte. Sie konnte noch gerade einige
düstere Männer und einen Leichenwagen erkennen ehe sie bei einer Wegbiegung verschwanden. Von Neugier
erfüllt stieg sie auf das Dachsims und kletterte geschickt nach unten. Unten angekommen bemerkte sie eine
Blutspur und einige Fußabdrücke im Schnee, die in die entgegengesetze Richtung gingen. Bestimmt waren einige
von ihnen dabei , die sie gestern in der Taverne beraubt hatte. Auf jeden Fall aber war es wert ihnen denoch zu
folgen. Möglicherweise führten sie die gelernte Meisterdiebin zu einem noch viel grösseren Schatz, der sich lohnt
gefunden zu werden. So folgte sie den bitteren Leichengeruch in raschen Tempo bis zu einer Weggabelung. Von
dort konnte sie die Stimmen zweier Wandersleuten hören, die sie sofort wiedererkante. Sie gehörten einen
rothaarigen Mann mit einer Riesenaxt und einer schlanken grossgewachsenen Adelsfrau, die sich am Abend mit
dem mysteriösen Elfen, den sie noch unbemerkt bis zum Gastraum gefolgt war, kurz unterhalten haben.
Leise schlich sie sich an ihnen heran. Sie sprachen gerade über etwas, doch sie konnte es nicht gut verstehen.
Deshalb machte sie einen Umweg über einen Hügel und beugte sich unbedacht ihrer Wißbegier über den Rand.
Ungewollt verlor sie dabei ihr Gleichgewicht und rollte stillos den Abhang hinunter und landete genau vor den
Füssen des Paares. Welch ein Missgeschick...